#MeToo hat die Medien erschüttert... und auch die Menschen. Ich frag mich, welche Konsequenzen
daraus erwachsen werden? Was folgt nach den Berichten über erlebte
Ohnmacht und sexuelle Ausbeutung? Während viele weibliche Menschen auf die
Geschichten wütend oder ängstlich reagierten, fühlten sich einige Männer "unter Generalverdacht
mit an den Pranger gestellt". Läuft es erneut auf die Konsequenz "Mehr Kontrolle" hinaus? So wird mancherorts schon über „Verträge vor sexuellen Handlungen“ nachgedacht… und darüber, dass
wir in einer Rape Culture leben sollen?! Was soll denn das
heißen?
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Stofftasche in der U-Bahn (SH, 2016) |
„Man fucks woman. Man: subject. Woman:
object“ fasst Laurie Penny, Journalistin, Schriftstellerin
& Bloggerin das Phänomen knapp zusammen. Dass Frauen nach wie vor kein
eigenständiges Begehren zugestanden wird, keine Autonomie über ihren Körper,
lässt sich mit wenig Mühe belegen.
Auch lässt sich beobachten, dass in liberaleren Gesellschaften die Kontrolle über den Frauenkörper aus den Händen der Familienoberhäupter in die Frauen selbst verlagert wurde.
Bei der Beziehungs-Anbahnung herrscht nach wie vor das "Jäger-Beute"-Schema: Frau hat die Ressource weibliche Sexualität gefälligst knapp zu halten - so funktionieren Märkte eben.
So beschreibt Penny, wie überrascht Partner darauf reagiert hätten, dass sie "Sex an sich genießt" - was wiederum sie überrascht habe.
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Detail eines Wasserbrunnens, Kärnten (SH, 2014) |
Hans-Jorgen Nielsen
schrieb 1986: „Erahne allmählich auch etwas von dem Ganzen, eine zärtliche
Häutlichkeit, nicht sofort hin zum Orgasmus, mehr so in sich ruhend, ganz im
Gegensatz zu beinahe allen meinen früheren sexuellen Erfahrungen und erkenne,
dass hinter meiner bisherigen aggressiven Sexualität die ganze Zeit der Wunsch
nach Hingebung gelegen hat, das Zusammenfließen mit dem andern, dass aber diese
Aggressivität, die ich für nötig hielt, den Punkt zu erreichen, mich gerade
daran gehindert hat, ihn zu erreichen…“ in Tor
Norretranders (Hg.): Hingabe. Über den Orgasmus des Mannes. Reinbek b.
Hamburg 1986.
Wenn aggressive
Sexualität nach wie vor Teil der kollektiv aufrecht erhaltenen Rape Culture
ist, prägt das jegliche Form weiblichen Begehrens – Richtung Angst. Während absichtslose zärtliche Berührungen
weiterhin unterdrückt werden.
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Baum-Detail, Liebenau (SH, 2016) |
Weibliche Lust bräuchte
für ihr Gedeihen einen Schwenk von der Rape-
hinüber zur Consent Kultur. Diese beschreibt Laurie Penny in ihrem taz-Artikel „The
Horizon of Desire“ so: „Consent ist keine
Sache, die du besitzen kannst. Consent ist ein Zustand. Jemandem deinen Consent
zu geben – sexuell, politisch, sozial – ist ein wenig so, wie jemandem deine
Aufmerksamkeit zu geben. Es ist ein kontinuierlicher Prozess. Es ist eine
Interaktion zwischen zwei menschlichen Wesen … Der bedeutet, die eigenen Ideen
über Dating und Sexualität (neu) abzustimmen:
Anstatt, wie bisher, ein widerwilliges „Ja“ aus einem anderen Menschen
herauszupressen, im Idealfall wieder und wieder ein „JA“ von diesem hören zu
wollen, das sie auch wirklich so meint.
Nicht nur, weil es so erregender ist – was es zweifellos ist; Consent braucht
nicht sexy zu sein, um von zentraler Bedeutung zu sein.
Und wenn wir den Blickwinkel von der Sexualität auf Berührungen an sich erweitern?
Frage ich Menschen aus
meinem Bekanntenkreis, was ihnen am meisten abgeht, kommt oft verschämt eine
Antwort aus dem Bereich des Tastsinns. Selbst jene, die
Partnerschaften leben, leiden häufig unter Berührungs- oder Hauthunger und das wirkt
sich stark auf uns als Gesellschaft aus: Denn Hautkontakt und
inniger Blickkontakt bewirken beim gesunden Menschen eine vermehrte
Ausschüttung von Oxytocin, das Ängste und Stress abbaut, und ein Gefühl von
Vertrauen auszulösen vermag.
Dabei geht es um Berührungen, die absichtslos,
zweckfrei & nicht sexuell konnotiert sind!
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Frau mit Kind, Nerezine (SH, 2012) |
„Zärtlichkeit, Nähe, Gemeinschaft, Vertrauen, Liebe… sich gemeinsam Zeit
nehmen und Zeit lassen“… fällt mir dazu ein.
"Der Mensch ist weniger dafür gemacht, jemand zu sein, als zu jemandem zu gehören."
Kerstin Uvnäs Moberg (Schwedische Physiologin und Pionierin der internationalen Oxytocin-Forschung). In ihren Augen wird das medizinische auch zum Gesellschaftsthema: "Was bedeutet es für eine ganze Gesellschaft, wenn die gemeinsame Zeit einfach nicht ausreicht, um echte Nähe zu entwickeln?" Wir brauchen ausreichend Berührungen, um uns wohl genug zu fühlen, auf andere zu zu gehen,
ihre Mimik richtig lesen, ihnen leichter zustimmen und so vertrauen zu können,
dass wir auch kompliziertere Beziehungsgespräche gut mit ihnen führen können.
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Greta, Peter & Hunde am Cobenzl (SH, 2016) |
„Wir leben in einer
unterkuschelten Gesellschaft … unsere Lebensweise die von Mobilität und
technischer Kommunikation geprägt ist, dafür wenig von echtem körperlichem
Kontakt, hat allgemein zu einem Absinken des Oxytocinspiegels selbst bei eigentlich
gesunden Menschen gesorgt. … Im Durchschnitt hat jeder von uns nur noch wenige
Minuten täglich Körperkontakt. Das ist viel zu wenig. Unser Hauthunger (sic!) wird nicht mehr zu
Gänze gestillt.“
Schon boomen
Wellness-Anwendungen „mit Berührung“ & aus den USA kommen nun Profi-KuschlerInnen als relativ neuer Dienstleistungszweig nach Europa. Uvnäs Moberg bezeichnet
Kuscheln mit Fremden und ohne private Bindung mit klaren Worten als Ersatzhandlung.
Es gehe um Nähe in
unseren eigentlichen Beziehungen. Doch deren Zahl nimmt stetig ab, wie Untersuchungen zeigen...
PS: Das Streicheln von Haustieren trägt auch dazu bei, in liebevoller Beziehung den
Hauthunger zu stillen!
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Garten in Recife, Brasilien (SH, 2009) |
„Ein Paradies, ein Garten, eine Oase, ein heilsamer Platz zu Verweilen“
kann unser Körper, wenn wir ihn achten, sein.
Statt uns zu fragen,
was unser Marktwert ist, wäre es
schön, wenn wir uns Muße und Freude wieder zurückholen:
Einander zu umarmen,
durchs Haar zu fahren, die flaumigen Wangen der Oldies zu liebkosen und...
... hier lass ich
Platz für deine einzigartige Geschichte 💗