Ich habe
Psychologie studiert und bin eher in den Geisteswissenschaften als in der
Ökonomie beheimatet. Aber je älter ich werde, umso brennender hat mich „die
andere Seite der Medaille“ zu interessieren begonnen. Dabei habe ich mich gefragt, wie Wirtschaft & Politik „funktionieren“ – und wieso dieser Begriff
in Bezug auf Menschen schrecklich für mich ist?
Ein paar
meiner Erkenntnisse will ich hier zusammenfassen, weil diese mir dabei geholfen
haben, mich und andere Menschen umfassender zu verstehen.
Was ist Wirtschaft? Was ist Politik?
Sowohl
Wirtschaft als auch Politik sind Systeme:
Verwaltungsapparate, die auf Hierarchien aufgebaut sind. Ihr Ziel ist primär
ihr Selbsterhalt. Das ist ähnlich, wie bei einem Organismus: der will auch in
erster Linie eines: Überleben. Aber nur „ähnlich“, nicht gleich. Warum?
Maja-Kultur (3000 - 900 v. Chr. |
Anders als lebende Systeme sind Machtsysteme hierarchisch
aufgebaut. Das heißt, dass es auf jeder Stufe und jeder Position jemanden gibt,
der eine Rolle zu erfüllen hat, der also genau genommen austauschbar ist. Denn: handelt er anders, als von seinen
Mitspielern „für den Systemerhalt dienlich“ gesehen, wird er „ausgeschieden“
(gemobbt, gekündigt, gemieden o. ä.).
Wenn also
z.B. ein Präsident, wie Barack Obama zum Präsidenten gewählt wird, dann nimmt
er zwar eine Position an der Spitze der Hierarchie „Politischer Machtapparat“
ein, kann aber nur „im Sinne des Systems“ wirksam werden. Haben innerhalb
des politischen Machtapparats z.B. fast nur wohlhabende Akteure Positionen inne,
die ihr Geld mit Waffenhandel verdienen, dann werden diese früher oder später
einen Markt dafür „verlangen“ oder hervorrufen. Die Situation ist so, als wäre
Obama von einer Herde Hämmer umgeben, die allesamt „Nägel! Nägel! Nägel!“
rufen.
DAS bedeutet
„funktionieren“ – dass Ziele als not-wendig erscheinen, die zwar
System-erhaltend, gleichzeitig aber lebensfeindlich sind.
Wichtig ist dabei,
dass Systeme in der Sprache beginnen; welche Begriffe positiv besetzt sind,
wofür es überhaupt Worte gibt und inwiefern die Grammatik bereits hierarchisch
aufgebaut ist. Einen Satz mit „Subjekt“ und „Objekt“ gibt es nicht in allen
Sprachen! Und welche Begriffe kaum noch oder gar nicht mehr genützt werden –
wie „Muße“, „gebührend“ oder „erhaben“ – ist auch von Bedeutung!
Im Gegensatz
zu einem lebenden Organismus, der bereits mit der Absicht geboren wird, zu
leben und zum Wohl anderer beizutragen, entbehren die Verwaltungssysteme genau
DIESE entscheidende Ingredienz. Im Organismus müssen alle Zellen kooperieren –
und ist jede Zelle gleich-wertig - Verwaltungs-Systeme sind hingegen "sachbezogen" (auf Gewinn hin) und "gehorsam" ("der über mir entscheidet!") organisiert. Um immer "effizienter" zu verwalten, werden ArbeitnehmerInnen unter immer größeren Arbeits- und Zeitdruck versetzt - das steigert Gewinne.
Zeitdruck ist Gewalt nach innen. Er macht krank und zerstört Beziehungen
Es geht
nicht an, dass immer weniger Zeit für uns selbst, für unsere Familien und
Freundschaften, Nachbarschaft und sinnvolles Sein zur Verfügung steht! Für Gemeinschaft und Verbindung! Uns allein Fühlen aktiviert eine unserer menschlichen Ur-Ängste: "Existenzangst" - weil wir allein nicht überleben können.
Angst macht
dumm und verengt die Vorstellungskraft gegenüber Alternativen. Und ich
beobachte immer mehr Menschen, die von Existenzängsten gebeutelt werden. Viele
davon suchen individuelle Strategien, besser mit ihrem Leben zurande zu kommen
– aber ist das nicht ein weiterer Schritt in die falsche Richtung?
Braucht es
nicht Ideen und Angebote, die Richtung menschenwürdige(re)n Lebens weisen?
Beispiele:
- Die „Gemeinwohlökonomie“ zielt in diese Richtung - sie bezieht das Wohl der Gemeinschaft in die Bewertung wirtschaftlicher Erfolge mit ein.
- Das „Bedingungslose Grundeinkommen“ ist für mich ein Schritt Richtung Lösung. Weil es einen Ausweg aus der fatalen Gleichung „Geld = Leben“ bereitstellt.
- Und die Gewaltfreie Kommunikation (GfK) nach Marshall B. Rosenberg, weil sie ein Einüben in hierarchiefreies Sein ermöglicht und zugleich jeden Menschen an seine Verantwortung gegenüber sich selbst und andere erinnert. „Funktionieren“ oder „Effizienz“ hat Marshall Rosenberg als Amtssprache bezeichnet – der die GfK mit einer wieder-menschlichen Sprache antwortet. Einer Sprache, in der Menschen von ihren Gefühlen & dem, was sie benötigen sprechen. Dabei zeigen wir uns in unserer Menschlichkeit und Größe – und hören auf, Teil eines wie-immer-gearteten Systems zu sein.
Wieso ist
das richtig und gut? Das wußte bereits Hildegard von Bingen:
„Jedes Geschöpf ist
von einem anderen abhängig, alles ist miteinander verbunden und aufeinander
angewiesen, alles antwortet einander und hält einander in Spannung.“