Dienstag, 31. Dezember 2013

Als das WÜNSCHEN noch geholfen hat


Ehrlich gesagt: Gerade war Weihnachten und heute ist Silvester... und die Wünsche prasseln seit Wochen über diverse Kanäle auf mich ein.


Wieso habe ich oft keine Freude mehr damit? Wieso fühle ich oft sogar Verdruss beim Lesen?

Als ich ein Kind war, wunderte ich mich darüber, wie selten meine Eltern ihre Freunde trafen. Sie hatten ein Konzert-Abo, besuchten ein paar Bälle - mit ihrer FreundInnen-Clique, und - wenn's ein gutes Jahr war - dann kam der beste Freund meines Vaters von weit her zu Besuch.
Dann brach eine Freude-Feier-Stimmung bei meinen Oldies aus, als käme ein KÖNIG zu uns!

Ich nahm mir vor, das später einmal, wenn ich groß bin, GANZ ANDERS zu machen!

Als meine Eltern dann alt und krank waren, zeigte sich: Wer aller sie lieb hatte. Und wie viele Menschen ihr unermüdliches Engagement für andere geschätzt und ihnen herzlich verbunden waren. Diese Menschen haben uns "Kindern" geholfen, als es not-wendig war und waren DA für uns. Das war so berührend und ich hätte ihnen gewünscht, dass sie es früher miterlebt und ge-erntet hätten!!!

Seit ich erwachsen bin, wundere ich mich, wie wenige Menschen in meinem Umfeld andere zu sich nach Hause einladen. Wie selten es ein Zusammensitzen und einfach-nur-Reden gibt; selbst in der Familie! Wir erzählen uns am Handy oder in e-Mails, wie wenig Zeit wir haben... und "updaten" uns, bei raren Treffen in Lokalen... über "das, was seither geschah". Anstatt unser Leben mit einander zu teilen und uns BegleiterInnen zu sein, ist aus der Großfamilie die Kleinfamilie, aus der Kleinfamilie die Patchworkfamilie und das "Heer der Alleinlebenden" geworden... und:

wachsen die "Guten Wünsche". Eines Tages fiel mir auf, dass es den Satz "Pass gut auf Dich auf!" und "Schau auf Dich!" gibt. Was heißt das? Dass jemand, der weiß, ich stecke in Schwierigkeiten oder mir geht's nicht gut, während er fort-bleibt mir den Auftrag gibt, statt seiner, mit mir zu sein?
Ich werde also verdoppelt: Einerseits bin ich diejenige, die Unterstützung braucht - und andererseits bin ich die Beauftragte, die - kraft eines Wunsches! - nun "auf mich schaue" und "auf mich aufpasse".

Ist das zynisch oder blöd?

Während wir also immer weniger für einander DA sind, WÜNSCHEN wir uns immer mehr! Das nimmt alle poetischen, bildverzierten und elaborierten Formen an. Wir sind zu professionell-liebevollen-WünscherInnen mutiert! Die steigen wie Seifenblasen aus unseren Bildschirmen... und spenden eine Art von sterilem Trost und kalorienloser Wärme, dass es nur so knistert!

Versteht mich bitte nicht falsch: Ich weiß die Mühe zu schätzen - und bin selbst auch immer wieder in solcherart (schaumgebremster?) FreundInnenschaft zugange. Aber: ich begehre auf!

Ich hab schon Spieleabende ausgerufen und zahllose Menschen zur Muße angestiftet. Ich erzähle offen, dass ich einst "Faultage" erfunden habe, als mein Sohn noch klein war - die uns beiden ÄUSSERST wohlgetan haben! Und: ich treff mich wieder mit Menschen, die mir am Herzen liegen. Zu Hause, bei mir - bei Tee, Kaffe, Yanoo oder alkoholfreiem Bier.... whatever... mit "open End".

Zuerst steige ich immer wieder aus Terminen aus - und plane RUHE für mich selber ein. Und wenn ich dann wieder aufblühe und neugierig werde: gehe ich auf andere zu. So geht das glaub ich.

Warum und Wozu?

Kommt vorbei - statt Wünsche zu schicken! Bei denjenigen, die Ihr lieb habt. Seid für einander DA - anstatt irgendwann in tausend "Likes" abzusaufen, wenn Ihr über ein Unglück berichtet. Es ist nichts kostbarer und schöner, als einander RIECHEN zu können.

Ja :-)

PS: Mein Post-Titel bezieht sich auf die Eingangssequenz von Märchen. Bevor diese mit "Es war einmal" begannen, hieß es, angeblich: "In einer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat..."

Montag, 30. Dezember 2013

Eine Geschichte von EndeAnfang



Lotusblüten (C) Peter Pressnitz


Wir befinden uns gerade am Ende des Jahres 2013 - und bald beginnt 2014. 

Ich interpretiere die Weihnachtszeit immer als "kollektives Geburtsthema", denn im Christentum wird ja die Geburt Jesu Christi gefeiert... und die Geschichte handelt von einem Mann und einer Frau, von Armut und Fremdsein - von der Verletzlichkeit zweier Menschen, die für die Geburt ihres Kindes einen ORT suchen und schließlich auch finden.
Diese Verletzlichkeit löst bei sehr vielen Menschen ein Bedürfnis nach Sicherheit aus: Da wird eingeladen, aufgekocht und gekauft, was das Zeug hält. All das möchte die Zuneigung und Gemeinschaft zwischen uns be-greifbar machen, uns an- und erfüllen, sie beweisen - wo sie doch gänzlich un-er-messlich und uns geschenkt worden sind!

Eine Woche später kommt für mich - in der Silvesternacht - das Sterben und der Neubeginn in unsere Gefühlswelt. Wir schließen geistig einen Zeitabschnitt - und erinnern uns gleichzeitig an die Endlichkeit unseres Seins. Und an die Ungewissheit, was morgen kommt, oder nachher.

Dazu möchte ich Euch gerne, ausnahmsweise, Gedanken von einem Schriftsteller* weiter geben, die mir dazu ganz besonders inspirierend erscheinen. Sie balancieren so schön zwischen den Zeit- und Gefühls-Ebenen:

„Im Bauch einer schwangeren Frau trieben drei Embryos: Einer von Glaube und Hoffnung genährt, der Zweite ein Zweifler durch und durch, während der Dritte überaus skeptisch in die Zukunft spähte. 
Der Zweifler wollte wissen: "Glaubt ihr an ein Leben nach der Geburt?" 
Der Gläubige antwortete: "Gewiss, das gibt es. Unser Leben hier ist nur ein Weg, wir wachsen und gedeihen, um uns auf ein weiteres Leben nach der Geburt vorzubereiten."
Der Skeptiker gab zu bedenken: "Törichter, das gibt es doch alles nicht, wie sollte so ein Leben auch aussehen?"
Der Gläubige daraufhin: "Das weiß ich auch nicht so genau. Aber es wird sicher heller sein als hier, wir werden Laufen und Springen und sogar mit dem Mund essen."
Der Skeptiker (lachte lauthals): "Das Laufen ist doch nur ein Mythos. Und mit dem Mund essen? Was für ein seltsamer Glaube – es gibt doch eine Nabelschnur, die uns ernährt."
Der Gläubige entgegnete: "Doch, es geht. Bestimmt! Wir müssen darauf vertrauen."
Der Skeptiker überlegte: "Es ist noch nie einer zurückgekommen nach der Geburt. Ich meine, mit der Geburt ist das Leben definitiv zu Ende. Es ist ohnedies eine einzige, dunkle Zelle." 
Der Gläubige lächelte: "Wir werden sogar unsere Mutter sehen". 
Der Skeptiker entrüstet: "Mutter?! Du glaubst tatsächlich an eine Mutter? Wo ist sie denn bitte?" 
Der Gläubige: "Überall. Bist du denn blind? Ohne sie würden wir doch gar nicht existieren." 
Der Skeptiker schüttelte den Kopf: "So was Dummes habe ich noch nie gehört! Und von einer Mutter hätte ich bestimmt etwas gemerkt." 
Der Gläubige aber wusste: "Manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie singen hören!“


Aus dem Standard-Artikel von *Michael Stavaric, "Vergesst uns nicht!" vom 4. Februar 2008 entnommen. Weil ich ihn für die Zeit von Jahres-Ende und den Jahres-Anfang enorm inspirierend finde... (Die Anführungszeichen sind von mir ;-)