Es war einmal ein Fischer, der lebte ganz allein in einem alten Haus am
Meer, mit seinem Boot.
Jeden Tag fuhr er hinaus auf’s Meer – und fischte, bis die Sonne unterging.
An Fischen holte er sich immer nur so viele, wie er zum Leben brauchte.
Dann holte er sein Netz ein und wartete.
Worauf er wartete, wußte er nicht. Nur daß da etwas war, was ihn mit seinem Boot
auf den Wellen hielt, war gewiss. So war das viele Jahre lang.
Eines Tages erblickte er einen wunderschönen weißen Vogel.
Dieser erschien plötzlich, leuchtend und majestätisch, am tiefblauen
Himmel.
Er flog über das Boot hinweg – und verschwand, mit kräftigem Flügelschlag.
"Wo ist er hergekommen?“, fragte der Fischer und: „Wo ist er hingeflogen...?"
Von jäher Sehnsucht ergriffen, begann er sogleich, ihm hinterher zu rudern.
Die Sonne brannte auf ihn nieder, der Wind schüttelte ihn, bei Tag und
Nacht, in seinem Boot...
Er hatte Wunden an seinen Händen vom tagelangen Rudern
und der Durst quälte ihn.
Jeden Tag erlaubte er sich nur, fünf Tropfen aus der Wasserflasche in seinen augedörrten Mund zu legen.
Bald wußte er nicht mehr, ob er noch lebte, oder schon ins Totenreich
hinüber gerudert war.
Nur das Bild des weißen Vogels blieb vor seinen Augen – und zog ihn weiter.
Bis eines Nachts der Mond seine Bahn geändert hatte und nicht mehr von
links nach rechts über den nächtlichen Himmel wanderte.
Er schien nun plötzlich rechts aufzusteigen und nach links zu laufen.
Der Fischer erschrak und kniete sich auf dem Boden seines Bootes nieder.
„Bin ich verloren?,“ fragte er, „Ende ich hier? – außerhalb der
Ordnung?,“ weinte er – und seine Tränen fielen als Salzkristalle aus seinen
Augen, schimmernd wie Diamanten.
Er fiel in einen tiefen und bodenlosen Schlaf. Wohl wäre er, ein
Seelenhauch in einem dürren Körper-Rest, nicht mehr zurückgekehrt, wenn nicht
ein kühler Wassertropfen und ein leises Flehen ihn gebeten hätten.
Seine Augen brauchten 7 Tage, ehe sie sich wieder öffnen konnten.
Er sah Schleier aus fliederfarbenem Licht, er atmete eine milde und gar
liebliche Luft, die ihn behutsam wieder mit Leben füllte.
Und ein großer Friede hielt ihn ruhend umfangen, wie ein Stein oder ein
Wald.
„Wähle das Leben, zu dem Du bereit bist,“ hörte er schließlich eine Stimme
in seinem Herzen sagen.
„Habe ich das Warten hinter mir gelassen?,“ fragte er sich.
„...und das Suchen vergessen?,“ fragte er weiter.
Lichtschleier. Wassertropfen. Liebliche
Luft.
Und
im selben Moment, als er sich „Ja“ antworten hörte,
fühlte
er einen warmen Kuss auf seiner Stirne.
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