Montag, 30. September 2013

Im eigenen Saft schmoren, Selbstgespräche und Hirn-W***n oder...


Meine Freiheit # 2


Wieso tun sich so viele Menschen schwer damit, wenn es ihnen schlecht geht, mit jemandem darüber zu sprechen? Wie entsteht dieses innere Labyrinth?

"Die Fassade wahren" - Wenn aus Scham und Angst geschwiegen wird:

Überforderte Erwachsene, die ihre Kinder „schonen“ wollen – während sie z.B. mit Krankheit, Tod oder Untreue kämpfen, unerfüllten Träumen eben-NICHT-nach-trauern...
Die ihre inneren Dramen und ihr Leid für sich behalten... während die Kinder eng mit ihnen verbunden sind und es fühlen. Die, wenn sie aber fragen oder ihren Schmerz mit den Erwachsenen zu teilen versuchen, oft auf Abwehr, Wut oder eisiges Schweigen stoßen.

So lernen sie, Fragen für uns zu behalten, fürchten sich - und steigen ein in das Karussell der Mutmaßungen und Erklärungsversuche. Oft denken sie auch, Verursacher und Schuldige zu sein... wollen dazu beitragen, dass die Familie weiter bestehen bleibt. Und schlucken fortan viele ihrer Bedürfnisse herunter, verlernen sie zu spüren und zu sagen... resignieren und beginnen, ihre Rolle im Familientheater zu übernehmen und sich „pflegeleicht“ / nützlich zu machen.

Wie ich darauf gekommen bin? Weil ich in der Gewaltfreien Kommunikation darauf gestoßen bin, was es heißt, nach meinen Gefühlen zu fragen, die unerfüllten Bedürfnisse herauszufinden – und danach sogar noch BITTEN zu formulieren!

Um jemanden um etwas zu bitten, braucht Mensch die Erfahrung, dass das MÖGLICH ist und ohne Beschämung oder Gefahr erfüllt werden kann!

Während der Auto-Pilot im Innern wieder und wieder die alten und „sicheren“ Wege einschlägt, weiterhin ÜBER andere quasselt und theoretisiert und sie zu erklären versucht... begann bei mir irgendwann etwas Neues zu dämmern:  Ich lernte, freundlich zu beobachten, was ich denke – und allmählich mit Veränderungen zu experimentieren.

Dass wir Erwachsenen nicht dadurch „sozial“ und Teil der Gemeinschaft sind, dass wir einander „Opfer bringen“ und permanent in die Schuhe der anderen kippen, indem wir IHRE Bedürfnisse noch vor unseren eigenen „wissen“ oder „spüren“ („Hansi, zieh Deine Jacke an, Dir ist kalt!“) – ist für mich nach wie vor revolutionär!
Wie wunderbar es sich anfühlt, NACHZUFRAGEN, wenn ich etwas nicht verstanden habe, das ein mir naher Mensch getan oder gesagt hat! Wie befreiend es für mich ist, nicht mehr im „wenn Du mich lieb hast, weißt Du, was ich brauche“ festzuhängen  (was für jedes Baby 100 % real ist, es kann ja noch nix SAGEN! ) und stattdessen MICH zu fragen, was ich gerade brauche und dann loszustarten, mir mehrere Wege anzuschauen, wie ich dafür sorgen kann: bringt mir WEITE!!!


„Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu beginnen!“

Das klingt vielleicht komisch – wenn wir glauben, dass Zeit unwiederbringlich vergeht  ;-)

Dabei ist doch offensichtlich, dass wir immer wieder in die Gefühle und Situationen von früher „gebeamt werden“, sobald etwas in uns „ähnlich wie damals“ist. Sobald ein Auslöser von außen den „Film ab!“-Schalter in uns drückt.

Doch es ist möglich, AKTIV und mit allem, was uns an Hilfe zu-wächst, für das Auffüllen alter Defizite einzutreten – gemeinsam mit Menschen, die uns dabei unterstützen können. Das schafft neue Verbindungen, Vertrauen in uns selbst und in diejenigen, die achtsam mit unserer Verletzlichkeit umgehen können.

Meine „glückliche Kindheit“ nimmt langsam Form an – was mich sehr freut :-)

Das teile ich mit Euch, damit Ihr das nächste Mal, wenn Ihr alleine in Sorgen tümpelt, daran denkt!!! :-)

Samstag, 30. März 2013

Meine Freiheit # 1





 Meine Freiheit nummero uno


Ich beobachte Synergien in meinem Leben, die mich in Staunen versetzen. Diese Bögen an Zusammenhang erkenne ich erst, wenn ich zurück schaue. An der Form der Abdrücke im weichen Boden erkennbar, als welches Wesen ich gerade gehe. Auch Themen, die da aufleuchten...

Heute gerade: die Freiheit.
Meine Freiheit bemerke ich zu allererst und am intensivsten daran, ob und wie viel Zeit ich zu meiner freien Verfügung habe.
Wenn ich, wie heute, einfach aufwachen kann – ohne Wecker – und eine Stunde mit meinem Buch im Bett sitzen und meine Gedanken aufschreiben und ordnen kann.

Es gibt viele Eindrücke, die ich gesammelt habe, seit ich zuletzt hier saß und schrieb.
Gestern habe ich die Zeit angehalten, indem ich mich entschieden habe, mit dem Fluß des Lebens mit zu schwimmen:

Da war ein junger Mann im Rollstuhl mit einer älteren Frau, die seinen Rollstuhl schob.
Seine Beine waren verdreht und seine Hände auch – und irgendetwas schienen die beiden  zu suchen.
Es war an einer Straßenbahn-Haltestelle und er sprach Deutsch, seine Mutter nur Italienisch. Er wollte unbedingt das „Sisi-Museum“ besuchen – und hatte nur einen Kreis auf einem groben Plan... der irgendwie die Hofburg einzuschließen schien.
Da bin ich mit gegangen. Sie kamen aus Süditalien, aus der Gegend von Neapel und er hat Deutsch studiert. Seine Mutter konnte kein Wort Deutsch und ER war derjenige, der mit den Menschen Kontakt aufnehmen und was fragen konnte. Wir haben am Weg zusammen gelacht... bewegten uns in Richtung Heldenplatz... überall Touristen und Kameras... irgendwo dann ein Wand-Überblicks-Plan und dort, juhu!, das Sisi-Museum ganz in der Nähe. Ich fühlte mich leicht und froh danach.

Wenn ich mir Zeit NEHME, dann fällt es mir auch schwerer, an BettlerInnen vorüber zu gehen. Dann rührt mich ein Gesicht und seine Lage. Dann entsteht plötzlich Verbindung. Mitgefühl.

Wie auch Mitgefühl mit mir und MEINER Lage - wenn ich mir Zeit nehme.
Im Schreiben habe ich mir heute eine Geschichte erzählt – zu mir und einem Mann, den ich schon lange kenne. Als Freund, als Geliebten und Erinnerung... als "wieder-Gegenwart mit Fragezeichen".

Das, was ich als Liebe kenne, ist ein Wesen, das seine Gestalt wandelt. Es kann ein geduldig-Ausharren sein, ein Verschonen oder eine lustig hüpfende Freudigkeit.
Die Frage: ob es denn Liebe sei - führt...?

Bin gestern an einer Buchhandlung vorbei gekommen und schaute eine Wühlkiste Bücher durch. Ich fand: "Weiß ich, wann es Liebe ist?" von einer isländischen Autorin. Wann hat mich zuletzt ein Buch zum Weinen und - kurz darauf - Lachen gebracht? Herz gewaschen... Bücher als BotInnen :-)

Und heute früh im Bett, beim Schreiben meiner Fragezeichen, als ich der Bange in meinem Körper nachgespürt hatte, plötzlich der Einfall: „Das, was ich mir da gerade erzählt habe, hat mir DIESES Gefühl im Innern beschert. Wie ist es, wenn ich mir die gleiche Geschichte anders erzähle?“ Und das habe ich getan. Es ging ganz leicht, ich fand so rasch die Worte, Bilder und Bedeutungen.

Wenn etwas aber grade wahr gewesen ist - und der bloße Entschluss, mir das alles noch einmal und aus anderem Blickwinkel NEU zu erzählen, eine ganz andere Wahrheit ins Leben bringt: geht es dann nicht darum, mich als Regisseurin meiner Lebensgeschichte immer wieder bei der Nase zu nehmen und statt Tragödien leichtfüßige Liebesgeschichten, Komödien oder ....? in Auftrag zu geben?!

Jetzt weiß ich wieder, dass meine erste Freiheit immer das mir-Zeit-nehmen war und ist. Das mir-Zeit-nehmen ermöglicht mir, meine Leben aktiv zu gestalten. Wenn ich DAS be-herzige, dann blüht aus dem Schlamm meiner alten Verluste, Grolligkeiten und AhnInnen-schweren Blickwinkel: 
die leuchtende Blüte des Liebens wieder auf.

In Dir auch? ;-)

Freitag, 28. Dezember 2012

Seelenhaare

*
Seelenhaare










Atmen und schreiben, während ich die langen Haare meiner Seele durchkämme.

Grauweiße Haare, laang... 

... Zöpfe wurden geflochten, es roch nach ihrem eigenen, unverwechselbaren Haarfett-Duft. Und dazu Flanell-Nachthemden, Geplauder, liebe Gesten... zwischen alltäglich, gewohnt und Geschenk...

... ein Sicheres Boot in die Nacht hinein, bis die Worte verebbten und Kerzen erloschen... ein letztes Mal Haar aus der Stirne gestrichen, weiche Stoffzipfel festgehalten... tiiefer Atem kam.

Wer ist eigentlich zuerst eingeschlafen? Niemand wird es jemals wissen... weil es egal war, gemeinsam und liebesverbunden...

Ein Stück Ewigkeit und so gewiss - wie ein Berg... oder eine Mühle...

KlappKlappKlapp... das Wasser fließt und dreht. Wir kämmen und halten und atmen. 
Genau so, von Liebe bewegt.




* Das Bild stammt aus dem Monument Valley (USA), Hotel The View, Foto-Ausstellung mit dem Titel "Shima Sani - Grandmother" (über die Großmütter & ihre Bedeutung bei den Navajo-Indianern)


Montag, 26. November 2012

Schlusslicht 1



„Weißt Du, was ein „Schlusslicht“ ist?“, fragte mich die Unke.
„Ja, klar! Das ist der oder die, die bei Wanderungen als letztes gehen – und aufpassen, dass niemand verloren geht.“
„Wieso ist das wichtig?“, wollte ich wissen.
„Weil ich jetzt weiß, was ich hier tue“, sagte die Unke.

Es wurde ein längeres Gespräch, wie meist mit der Unke. Unken sind Wesen, die wenig schlafen. Sie träumen meist schlecht, weil sie die Welt von schräg unten betrachten. Von dort, wo der Sumpf beginnt und das Licht nicht so hinkommt.

Die Unke hat längere Zeit ihre Vision gesucht. Das war manchmal schon schwer zu ertragen.

„Weißt Du, ich hab immer an dieses Bild von den Zugvogel-Schwärmen gedacht. Da ist eine vorne und hat den größten Luftwiderstand und die anderen fliegen in V-Form dahinter und quaken ihr Mut zu.“ – „Ein weit verbreitetes Bild, heutzutage“, meinte ich.

„Und wenn Du nach einer Idee suchst, mit der Du da vorne fliegen kannst, die so gut ist, dass alle anderen hinter Dir herfliegen und Dich sogar noch ermutigen, dann kannst Du ganz schön ins Grübeln kommen.“

Jeden Falls ist die Unke eines nächtlichen Morgens wach gewesen und hat überlegt, was sie denn eigentlich und schon die ganze Zeit über gemacht hat. Und da ist ihr das mit dem Schlusslicht eingefallen.

„Ich schau auf die, die nicht mehr mitkommen. Auf die, die fast auseinander brechen. Auf die still Verzweifelten, die fast den Verstand verlieren... und irgendwie ist Unke-sein auch sehr hilfreich dabei. Weil ich von dort her schaue: Wo alle Angst haben, zu versinken und abzusaufen. Wo es finster ist und auch modrig. Da kommt kein Scheinwerfer hin. Da hat es sich aus-geschämt, weil da braucht keinesmehr fürchten, dass es sich angepatzt hat oder dreckig wird. Und hinfallen kannst Du auch nicht.“

Okay, ich hab eine Unke zur Freundin. Und weil das so ist, hab ich gesagt, „Unke, ich hör Dir gerne zu. Du hast sicher viel zu erzählen.“

„....Weißt Du, ich bin auch auf facebook“- auch Unken gehen mit der Zeit, sonst finden sie ihre Leute ja nimmer. "Und vor einiger Zeit habe ich plötzlich dort einen NACHRUF gelesen. Da hat sich jemand an jemand erinnert – mit irgendeinem passenden Bild dazu. Und später haben zwei Bekannte auch mit so Engelssprüchen und stimmungsvollen Bildern geschrieben, dass sie traurig sind... und immer hab ich gerätselt, um WEN die da trauern? Und plötzlich kommst Du Menschen ur nahe, die Du kaum kennst.

Und vor kurzem schrieb eine, dass sie vor Schmerzen grad weint und nicht sitzen kann... das ist eine ganz eine Fleissige, die nie in Krankenstand geht und immer weiter gearbeitet hat. Und jetzt hat sie gleich mehrere Bandscheibenvorfälle gleichzeitig... was schreibt man so jemandem?
Die ist dann wieder verschwunden, mitten im Chat... und das MIR! Wo ich doch das Schlusslicht bin!"

"Aha."

"Und andere haben Babies bekommen und jetzt weiß ich, wie die ausschauen... und dass einem ins Auto eingebrochen worden ist, und er wütend-verzweifelt.. und andere auf Urlaub fahren oder schon sind: Bilder von Stränden, wo andere schreiben: „Ich beneide Dich“ oder „Genieß es!“

Stell Dir vor: viele fotografieren ihr ESSEN und stellen das rein. Und dann schreiben die andern, dass sie was für sie aufheben sollen... oder „Mahlzeit“. 

Wieso kommt das als Einsamkeit bei mir an? Wieso denk ich dabei, dass „Teilen“ immer schon von Hand zu Hand und von Mensch zu Mensch, was Direktes, Gefühlvolles, Warmes war – und jetzt tippen die was in die Tasten und haben keine Zeit mehr, einander besuchen zu kommen! Ein paar Taschentücher rüber zu geben, eine Schulter beweint zu bekommen... oder gehalten zu werden, bis es halbwegs erträglich wird.

Verstehst Du jetzt, wieso ich nicht schlafen kann?...“

Jetzt bin ich das Schlusslicht für die Unke.

Es ist mir eine Ehre.

Montag, 19. November 2012

Es war einmal.....



Es war einmal ein Fischer, der lebte ganz allein in einem alten Haus am Meer, mit seinem Boot.
Jeden Tag fuhr er hinaus auf’s Meer – und fischte, bis die Sonne unterging.
An Fischen holte er sich immer nur so viele, wie er zum Leben brauchte. Dann holte er sein Netz ein und wartete.

Worauf er wartete, wußte er nicht. Nur daß da etwas war, was ihn mit seinem Boot auf den Wellen hielt, war gewiss. So war das viele Jahre lang.

Eines Tages erblickte er einen wunderschönen weißen Vogel.
Dieser erschien plötzlich, leuchtend und majestätisch, am tiefblauen Himmel.
Er flog über das Boot hinweg – und verschwand, mit kräftigem Flügelschlag.

"Wo ist er hergekommen?“, fragte der Fischer und: „Wo ist er hingeflogen...?" 
 Von jäher Sehnsucht ergriffen, begann er sogleich, ihm hinterher zu rudern.

Die Sonne brannte auf ihn nieder, der Wind schüttelte ihn, bei Tag und Nacht, in seinem Boot... 
Er hatte Wunden an seinen Händen vom tagelangen Rudern und der Durst quälte ihn.
Jeden Tag erlaubte er sich nur, fünf Tropfen aus der Wasserflasche in seinen augedörrten Mund zu legen.

Bald wußte er nicht mehr, ob er noch lebte, oder schon ins Totenreich hinüber gerudert war.
Nur das Bild des weißen Vogels blieb vor seinen Augen – und zog ihn weiter.

Bis eines Nachts der Mond seine Bahn geändert hatte und nicht mehr von links nach rechts über den nächtlichen Himmel wanderte.
Er schien nun plötzlich rechts aufzusteigen und nach links zu laufen.
 Der Fischer erschrak und kniete sich auf dem Boden seines Bootes nieder.
„Bin ich verloren?,“ fragte er, „Ende ich hier? – außerhalb der Ordnung?,“ weinte er – und seine Tränen fielen als Salzkristalle aus seinen Augen, schimmernd wie Diamanten.

Er fiel in einen tiefen und bodenlosen Schlaf. Wohl wäre er, ein Seelenhauch in einem dürren Körper-Rest, nicht mehr zurückgekehrt, wenn nicht ein kühler Wassertropfen und ein leises Flehen ihn gebeten hätten.

Seine Augen brauchten 7 Tage, ehe sie sich wieder öffnen konnten.
Er sah Schleier aus fliederfarbenem Licht, er atmete eine milde und gar liebliche Luft, die ihn behutsam wieder mit Leben füllte.
Und ein großer Friede hielt ihn ruhend umfangen, wie ein Stein oder ein Wald.

„Wähle das Leben, zu dem Du bereit bist,“ hörte er schließlich eine Stimme in seinem Herzen sagen.

„Habe ich das Warten hinter mir gelassen?,“ fragte er sich.
„...und das Suchen vergessen?,“ fragte er weiter.


Lichtschleier. Wassertropfen. Liebliche Luft.

Und im selben Moment, als er sich „Ja“ antworten hörte,
fühlte er einen warmen Kuss auf seiner Stirne.